Axel Becker

Schauspieler / Sänger

Geschmacksblase

Ich bin von jemandem auf facebook ent-freundet worden.
Und wofür?
…das ist witzig.
…. und wichtig zu erzählen ist es gleichermaßen.
… hm… vielleicht ist es auch nicht ganz so witzig. 

Ich breite weiter unten auch nochmal alles aus, mit screenshots, aber für die Eiligen unter uns versuche ich erstmal eine Zusammenfassung:

Eine Facebook-Freundin, die ich aus dem Berufsumfeld kenne, mit der sich auf Schiffen schöne Zusammenarbeit ergab und mit der es über die Jahre auch einige private schöne Ereignisse gab, postete ein Foto von männlichen Models in Männer-Röcken, die nicht ihrem Geschmack entsprachen.
Einige der Kommentare darunter haben deutlich mehr geäußert, als nur ihr persönliches Missfallen. Sätze, wo dann schon deutlich wurde, daß „eigener Geschmack“ hier deutlich über die persönlichen Grenzen hinaus ausgeweitet gedacht wurde (…lest es gerne weiter unten selber… die screenshots). 

Ich fühlte mich davon persönlich „angegangen“.
Nicht so sehr wirklich wegen der gezeigten Mode, das ist nun wirklich nicht mein Thema, … also, daß ich sagen würde, ich muss diese Modelle tragen oder fände sie besonders schön… aber der Ton einiger Kommentare enthielt Gedankengut wie aus „meiner Vergangenheit“. 
Ich hatte den Eindruck, hach, hier kannst Du mal was Gutes tun.
Und schrieb Folgendes:

Liebe heranwachsende Mitlesende!
Beim Thema hier handelt es sich um Mode und um Geschmack.
Geschmack ist nicht universell. Geschmack ist persönlich. Punkt.
Alle hier geäusserten Statements, die über „ich mag das nicht“oder „ich würde das nicht kaufen“ hinaus gehen, sind schlichtweg falsch und behindern Euch möglicherweise in Eurer freien Entfaltung.
Alle Statements, die so etwas beinhalten wie „als Mann darf man nicht“ sind schlicht falsch. Sie behindern Euch vielleicht darin, zu äussern, was Euer Geschmack ist.
Mode hat nichts mit falscher Bildungspolitik oder gar mit „Mann sein“ zu tun. Euer eigener Geschmack ist die Grundlage für ein erfülltes Leben.
Nur dann, wenn Euer eigenes Gefühl von innerer Harmonie, von „das ist schön für mich“ intakt ist, könnt Ihr gute, vollständig abgewogene Entscheidungen für Euer Leben treffen.
Lasst Euch von den eingefahrenen Gedanken Eurer Verwandten hier nicht vorgaukeln, es gäbe tatsächlich irgendwo einen Zusammenhang zwischen Mode-Entscheidungen und „Mann sein“.
Ich bin sehr stolz, daß meine Mutter mit mir zum Abi-Ball 1987 alle Herrenausstatter in Lippstadt UND Paderborn abgeklappert hat, weil ich so etwas ähnliches wie hier oben links gezeigt gern zum Abiball getragen hätte.
Erstmal ist da Euer eigenes Gefühl zu einem Ausstattungs-Gegenstand.
Es ist gut, sich mit seinem eigenen Geschmack zeigen zu können.
Das ist gut, um fröhlich und mit einem Sinn für Selbstwert durchs Leben zu gehen.

Die Vielfalt der Geschmäcker macht das Leben aus.
Schöne Info, wenn sie Dir sagen, was sie mögen und was sie nicht mögen… aber wenn sie meinen, nur ihr eigener Geschmack bestimmt darüber, was „ein Mann“ wäre, oder ihr eigener Mode-Geschmack hätte irgendeine Aussagekraft für andere Leute über Bildung oder Politik oder Gesellschaft… das sind ganz einfach falsche Gedanken.
Das Leben ist bunt.
Die Geschmäcker sind verschieden.

Und dafür bin ich entfreundet worden.
Das ist an sich nicht so schlimm, wir waren nun wirklich keine sehr nahen „buddies“.
Aber ich bin immernoch perplex.
Hätte ich nicht erwartet.

Und ich möchte eigentlich auch keine Entfernung durch Entfreundung, sondern Annäherung durch Gespräch.
Ich fand das hier einen ziemlich normalen Fall, garnicht „besonders schlimm“, wo eventuell einige nur des Humors halber mit der Herde mitblöken und durchaus verstehen könnten, wo der große Unterschied und der große Vorzug darin wäre, wenn man „ich-Botschaften“ über den eigenen Geschmack sendete, anstatt das persönliche Empfinden zu verallgemeinern. 
Ich hätte in meiner Pubertät sehr davon profitiert.
Was ich da aufgeschrieben habe, war die Stimme, die mir fehlte, als ich jung war.
Sich im „Sein“ in Ordnung zu fühlen ist schon eine wirklich wichtige Grundlage für’s Leben.
Die Screenshots habe ich eigentlich gemacht, um mir selber zu sagen „siehst Du, hast Du Dich für Dich eingesetzt in der Welt, kannst stolz sein“…  und ich fand es auch ganz crisp formuliert, wollte mich erinnern… ja, es fehlt einem eventuell Lebenskraft, wenn man seinen Geschmack nicht äussern ‚darf‘.

Und jetzt? Ich sehe, daß „die Gesellschaft“ mehr queere Sichtbarkeit braucht.
Ich bin ein bisexueller Mann. Das gibt es auch.
Und das darf es geben.
Und an alle meine facebook-Freunde, denen der „Entfreunden-Finger“ juckt: Vielleicht mal drüber reden.


Und jetzt die Nach-Geschichte... eigentlich nicht wichtig… am Ende kommen dann die Screenshots…Ich habe ja zunächst garnichts gemerkt… das Entfreunden geht ja ohne Benachrichtigung vonstatten.
Beim Gespräch mit einer gemeinsamen Freundin, die über neue Updates von dieser ex-fb-Freundin zu berichten wusste, fiel mir dann auf, daß ich lange nichts mehr in der timeline hatte von ihr…
Ich habe dann über die offizielle Webseite eine nette Anfrage gestellt… mein Posting war Anfang Juni, meine erste Anfrage über die Webseite war am 30.6. Ich fragte, ob sie mich wegen des Männerröcke-Postings entfreundet hätte oder ob das ein Missverständnis wäre.
Am 10. Juli klopfte ich über ihren Mann nochmal an, der ist noch mein facebook-Freund.
Am 18. Juli schrieb ich dann nochmal über ihre webseite eine ähnliche Nachfrage.
Am 24. Juli kam dann endlich eine kurze, sehr allgemeine Nachricht, in dem Tenor ‚unsere Lebensansichten passten eben nicht zusammen‚.
Aha, dann weiss ich das jetzt auch. Zumindest lag kein Missverständnis vor.

Hmm, ja, ganz kalt läßt mich das nicht, … aber um diese private Nachricht und deren Inhalt soll es hier nicht weiter gehen… diese „Abschiedsnachricht“ war auch so allgemein gehalten, daß deutlich wurde, es ist jetzt gut, keine konkrete, erklärende Auseinandersetzung gewünscht.
Das finde ich sehr schade.

Nun gut, hier bleibt also die Geschmacksblase bestehen.

(-:   … mal sehen, wie das weiter geht… ich habe zumindest den Eindruck, ich könnte mehr an „queer-Sichtbarkeit“ tun. Kürzlich bin ich in den lsvd (www.lsvd.de ) eingetreten. Und ins „Bisexuelle Netzwerk“ BiNe  (www.bine.net)… dabei war ich schon mal „Bewegungs-Schwester“… damals, als wir den ersten CSD in der Provinz in Paderborn organisiert haben… 30 Jahre her…

Axel bei CSD in der Provinz… Paderborn… 1989?


Und jetzt die screenshots… was meint Ihr, welche Äusserungen alle brachten mich zum Schreiben?

Auf Twitter oder Insta bin ich astrobecker, gern rückmelden!


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